Alles bezahlt
Autor unbekannt
Nach einem wie ich
fand anständigen Leben, neigte sich meine Zeit auf der Erde ihrem Ende zu
und ich ließ mein Mensch-Dasein sowie den dazu gehörigen Körper los. Das
erste, was ich wahrnahm, war die große Leichtigkeit, die ich spürte. Dann
bemerkte ich, dass ich mich im Warteraum einer Art Gerichtsgebäude befand,
aber nicht aus Stein, sondern eher wie aus Wolkenwänden.
Es öffnete sich eine Tür und
jemand bedeutete mir einzutreten und am Tisch des Verteidigers Platz zu
nehmen. Als ich mich umschaute, erkannte ich den 'Staatsanwalt'. Er sah
verbissen und bösartig aus und presste die Zähne zusammen, während er mich
anstarrte. Noch nie hatte ich einen so zornig dreinschauenden Menschen
gesehen.
Ich setzte mich hin und
schaute nach links und da saß mein Verteidiger - ein freundlich und
sanftmütig aussehender Mann mit langem Haar in einer lichten Robe, der mir
seltsam bekannt vorkam. Aber woher sollte ich ihn kennen?
Dann öffnete sich hinter dem
Richterpult wie von Geisterhand eine Tür und es erschien der Richter, dessen
Gestalt ganz von einer langen, wallenden Robe umhüllt war, durch die ein
leuchtendes Schimmern drang. Seine Gegenwart erfüllte den ganzen Raum mit
Wärme und Ruhe und ich konnte meine Augen nicht von seiner Gestalt abwenden.
Er bewegte sich zum Richterpult und sagte
mit angenehmer Stimme: "Lasst uns beginnen."
Der
Staatsanwalt erhob sich und legte los: "Hochwürden, ich bin Staatsanwalt
Jakobus und hier, damit der Gerechtigkeit Genüge getan wird und diese Frau
in die Hölle zu bringen, wo sie nach meiner Überzeugung auch hingehört. Sie
hat gesündigt ohne Unterlass und wieder und wieder gegen die Gebote
unseres Herrn Moses verstoßen. Es mögen nicht so viele Todsünden dabei
gewesen sein, aber selbst wenn man von den gleichwohl von ihr gelebten
Phasen des Hochmuts absehen würde, so würde man doch von der Welle der
zahllosen 'kleineren' Vergehen überrollt und von ihrer Wucht erschlagen
werden."
Und er zählte alles auf, was ich
je an Lügen erzählt hatte, erwähnte alle Dinge, die ich gestohlen und alles,
womit ich in der Vergangenheit andere hintergangen hatte. Staatsanwalt Toifl erzählte
ebenfalls von weiteren perversen Dingen, die einmal Teil meines Lebens
gewesen waren. Je mehr er von sich gab, desto tiefer versank ich in meinem
Sitz. Es war mir so dermaßen peinlich, dass ich niemanden anschauen konnte,
noch nicht einmal meinen eigenen Verteidiger, als der erbarmungslose Toifl Sünden
erwähnte, die ich selbst schon lange total vergessen hatte.
So
sauer ich auf diesen Staatsanwalt war, weil er all diese Dinge über mich erzählte, so
sauer war ich aber auch auf meinen Anwalt, der seelenruhig auf seinem Platz saß, ohne auch nur
mit der Wimper zu zucken, geschweige denn ein Wort der Verteidigung vorzubringen. Ich wusste, dass ich all
dieser Dinge schuldig war, aber ich hatte doch auch Gutes in meinem Leben
getan - könnte das nicht wenigstens ein bisschen das Unrecht ausgleichen,
das ich begangen hatte?
Derweil gingen Staatsanwalt
Jakobus die Beschuldigungen aus und er beendete seine Anklage.
"Diese Frau gehört in die Hölle, sie ist aller Anklagen schuldig, die ich
vorgebracht habe und es gibt niemanden, der das Gegenteil beweisen könnte.
Und deswegen beantrage ich 666 000 Jahre Hölle in der Maßnahme Fegefeuer -
dann kann sie bei guter Führung nach 444 000 Jahren in den Himmel entlassen
werden."
Mir wurde ganz schummrig bei
dieser Vorstellung - 444 000 Jahre? Das ist ja eine kleine Ewigkeit!
Verzweifelt schaute ich auf meinem Anwalt, der sich gerade erhob und zum
Richtertisch trat. Das Leuchten unter der wallenden Robe begann zu pulsieren
und ich beobachtete entsetzt, wie mein Anwalt die Hand ausstreckte und die
Kapuze des Richtergewandes ergriff. Der lautstarke Protest von Staatsanwalt
Jakobus wurde vom Rauschen in meinen 'Ohren' übertönt, Himmel hilf - was
erlaubte sich dieser Mensch? Und das ausgerechnet jetzt??
Mir stockte der Atem, aber
der dreiste Mensch schien vom Entsetzen der Anwesenden vollkommen unberührt
zu bleiben. Er nahm dem Höchsten Richter lächelnd die Kapuze ab und während
sich der ganze Raum mit gleißendem Licht erfüllte, sagte er mit einem
leichten Glucksen in der Stimme: "High Dad!".
Und da wusste ich, warum Er
mir so bekannt vorkam: das war kein anderer als der Mann, der einst an den
Ufern des See Genezareth lebte und lehrte! Aber wie konnte das gehn? Der war
doch vor 2000 Jahren... - der ist doch seit 2000 Jahren tot! Aber dann fiel
mir ein, dass es mir derzeit ja auch nicht anders ging. Und das fand ich gar
nicht einmal so schlecht. Also wenn DER mich höchstselbst vertrat und der
Richter ein so strahlendes Leuchten ist, dann kann Petrus sogar selbst den
Schlüssel wegwerfen, dann komm ich auf jeden Fall ins Dann komm ich auf
jeden Fall ins Königreich des in den Himmels der Liebe. Ich wüsste keinen,
der einen besseren Draht zum Höchsten Richter hat als der, der ihn schon zu
Lebzeiten als Mensch kannte.
Er drehte sich um und wandte sich an das Licht:
"Geliebter Herrscher des Königreich des Himmels, unter gewissen
Vorraussetzungen hat Staatsanwalt Jakobus recht,
wenn er behauptet, diese Frau habe gesündigt. Ich werde keine seiner
Anschuldigungen dementieren. Und es stimmt ebenfalls, dass unter gewissen
Vorraussetzungen auf Sünde der Tod
steht und diese Frau Strafe verdient. Aber nur unter gewissen
Vorraussetzungen. Unter den Vorraussetzungen der Gesetze des Herrn
Staatsanwalts selbst. Das sind seine eigenen Gesetze, aber es sind nicht die
meinen und es sind nicht die des Höchsten Gerichts am Hofe vom Königreich
des Herrschers über die Himmel dieser Welt. Nicht nach den Höchsten Geboten
der Liebe, die besagen, dass alles wert ist, geliebt zu werden und dass der
die Sünde erschafft, der das Verbot erdenkt.
Immer, wenn Mensch sich etwas verbietet, erschafft er eine Sünde.
Weil er das, was er sich da verbietet, vordem verurteilt hat. Das Urteil
erst ist die Sünde, denn es ist ein Übertritt wider das Höchste Gebot, alles
mit allem zu lieben und eben nicht zu richten, weil man immer, wenn man
etwas oder jemanden oder sich selbst oder auch das Urteilen verurteilt,
zuerst sich selbst richtet."
Jesus
wandte sich mit weit ausgestreckten Armen zu dem gleißenden Licht überm
Richterpult
und sagte:
"Wie auch immer - diese Frau
ist lebendig und sie hat mich als deinen Boten und ihren Retter angenommen, also gehört
sie zu mir und Bruder Jakobus Ofen bleibt aus. Ihr Name steht im Buch des
Lebens und niemand kann sie mir entreißen, wenn sie selbst es nicht will. Satan hat
es wohl immer noch nicht begriffen: Die Zeit seiner Herrschaft ist vorbei."
Dann kam er zurück zu seinem
Platz, setzte sich ganz gelassen wieder hin und sagte schmunzelnd:
"Ich habe fertig. Es gibt nichts, was dem noch hinzugefügt werden
müsste."
Der
Richter hob einen mächtigen Hammer und schlug ihn mit Donnerknall auf
den Tisch und sprach:
"Diese Frau
ist frei! Ihre Strafe hat sie bereits voll und ganz bezahlt. Die Klage ist
abgewiesen!"
Während Jesus, mein Herr, mich hinausführte, konnte ich Satan toben und
rasen hören:
"Ich werde nicht aufgeben! Den nächsten Fall gewinne ich!"
Jesus
gab mir Anweisungen, wo ich jetzt hinzugehen hätte und ich fragte Ihn:
"Sag
mal, hast Du jemals einen Fall verloren?"
Liebevoll lächelte Christus mich
an und antwortete:
"Jeder, der zu mir gekommen ist, hat dasselbe Urteil erhalten wie du:
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Alles bezahlt ~
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